Fast täglich hören wir aus unserem Umfeld, dass der Hund jetzt noch keine Regeln oder Erziehung bekommt, da er frisch aus dem Ausland ist. „Mit viel Liebe kriegen wir die Fellnase auch erzogen.“ Oder auch: „Wir haben den Hund gerettet und jetzt ist er endlos dankbar und zeigt das mit bedingungslosem Gehorsam.“
Hier möchten wir unser Veto einlegen.
Natürlich gehört Liebe zu einem harmonischen Bündnis dazu und vor allem ein liebevoller Umgang. Doch heißt das nicht, dass der Hund deswegen nichts lernen oder sich nicht an Regeln halten muss. Denn Liebe heißt nicht automatisch Vertrauen oder Respekt. Und Vertrauen entsteht für den Hund durch Berechenbarkeit und Verlässlichkeit.
Auch Mitleid für die gerettete Fellnase ist nicht das richtige Gefühl, um ihm Halt und Sicherheit zu geben.
Doch wann sollte das Training eines Neuankömmlings denn nun beginnen? Wann ist der richtige Zeitpunkt? Hierzu gibt es eine ganz klare Aussage: Sofort nach der Ankunft! Training bedeutet hierbei nicht, dass er über Geräte hüpfen muss, direkt bei Gruppenstunden auf dem Hundeplatz mitmacht oder Sitz, Platz, Bleib perfekt beherrschen soll.
Vielmehr heißt es, einen klaren Plan und Regeln zu vermitteln. Und das beginnt meist schon beim ersten Betreten des neuen Zuhauses, der ersten Fütterung oder dem ersten Gassigang.
Damit ein Hund die nötige Sicherheit bekommt, bedarf es mehrerer Bausteine.
Ein großer Teil ist die Routine. Ein Hund braucht diese, damit das Handeln und Verhalten des Menschen für ihn berechenbar ist bzw. wird. Zur täglichen Routine gehören ganz banale Dinge wie zu festen Zeiten füttern, schlafen, Gassi gehen.
Schon findet der Hund ein Stückchen Halt und kann damit besser umgehen.
Ebenfalls sind klare Grenzen ein wichtiger Bestandteil einer guten Beziehung zwischen Mensch und Hund. Kombiniert sind Grenzen natürlich auch mit Konsequenz. Soll der Hund nicht dauerhaft auf der Couch sein, ist es kontraproduktiv, ihn die erste Zeit nach seiner Ankunft auf diese zu lassen, nur weil er einem leid tut, dass er schon so viel Schlechtes erleben musste. Euer Hund wird euch keine Vorwürfe machen, wenn ihr ihn in sein kuscheliges Hundebett schickt, anstatt auf die Couch zu gehen, wann immer er möchte.
Auch eine klare Führung an der Leine ist für den Vierbeiner wichtig. Lasst ihr ihn einfach hin, wo er möchte, wird es später mit der Leinenführigkeitserziehung noch schwieriger werden. Zeigt von Anfang an klar, fair und souverän, was ihr möchtet und was nicht, was er darf und was nicht. Ansonsten wird euer Hund dauerhaft mit euch spazieren gehen, anstatt umgekehrt und vielleicht sogar selbst die Führung übernehmen. Genauso kann auch die sehr stressige Leinenaggression entstehen …
Übungen für Stubenreinheit, Alleinebleiben, Grundgehorsam (Sitz, Platz, Hier etc.) könnt ihr von Anfang an in kleineren Dosierungen einsetzen. Hierzu müssen keine Wochen abgewartet werden, damit er erst mal richtig ankommt.
Macht ihr die Übungen auf spielerische und nicht überfordernde Weise und teilt es in kleine Einheiten, werdet ihr sehen, wie viel das für euren Bindungsaufbau bringen kann. Schon von Anfang an lernt euer Hund, euch zu vertrauen und mit euch zu arbeiten und wird dann nicht überrumpelt, wenn ihr plötzlich nach 3 bis 4 Wochen mit der Erziehung anfangt.
Natürlich müssen die Übungen für jeden Vierbeiner individuell abgestimmt sein und man kann nicht alles mit jedem Hund machen. Ein Angsthund z. B. benötigt einen anderen Trainingsaufbau als ein junger, pubertierender Frechdachs. Doch auch ein Angsthund braucht Sicherheiten und einen geregelten Ablauf, um die Situation besser verstehen zu können.
Gruppenkurse in Hundeschulen oder größere Spaziergänge mit vielen anderen Hunden können dann nach und nach zu eurem Ablauf dazuaddiert werden. Denn erst wenn euer Hund Vertrauen und Bindung zu euch hat, kann er auch zusammen mit euch neue Abenteuer (und Hundeschulen sind sehr abenteuerliche Stationen für einen Hund) erleben und davon profitieren.
Viele Wege führen nach Rom und man muss sich darüber im Klaren sein, dass nicht jeder Weg für jeden geeignet ist. Doch ebenfalls sollte man sich klar machen, dass es dem Hund nicht hilft, wenn man ihn die ersten Wochen nach seiner Ankunft machen lässt, was er möchte, weil er so eine schwere Zeit hatte.
Als Verein stellen wir uns täglich neuen Herausforderungen und versuchen so gut, wie es uns nur möglich ist, zu helfen. Daher setzen wir auf Professionalität und möchten euch mit unserem Fachwissen weiterhelfen.
Vor allem wollen wir Hundehaltern zur Seite stehen, die sich einen Schützling aus dem Ausland geholt haben oder sich einen holen möchten. Was gibt es zu beachten? Wie sieht ein solches Training aus? Was kann ich bei bestimmten Verhaltensauffälligkeiten für Maßnahmen anstreben?
Aktuell sind wir bei Streunerglück e.V. mit einigen ausgebildeten Hundetrainerinnen ausgestattet, so dass wir euch bei Fragen fachlich kompetent zur Seite stehen können.
Also scheut euch nicht, euch zu melden, damit die Erziehung eures Vierbeiners in die richtige Richtung geht und wir euch ggf. in eurer Region Trainer empfehlen können.
Wir freuen uns von euch zu hören!